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„Man braucht nur einen Stift und Papier...“

 

Ein Interview der Kinderreporter des Bösen Wolfes mit der Schriftstellerin Marie NDiaye, die jetzt in Berlin lebt.

 

Marie NDiaye schreibt Romane, Theaterstücke, Hörspiele, Drehbücher und Kinderbücher. 2001 erhielt sie den „Prix Femina“ für ihren Roman Rosie Carpe und hat gerade für ihren letzten ROman "Drei mächtige Frauen" den Prix Goncourt erhalten. Ihr Theaterstück Papa doit manger steht auf dem Spielplan der Comédie Française. Ihre Bücher erschienen auf Deutsch u.a. bei Suhrkamp, Hanser und im Berlin Verlag.

 

Wann haben Sie mit dem Schreiben angefangen,

und wie kam es zu?

Ich fing ziemlich früh damit an, weil ich schon immer viel gelesen hatte.

Wie alle Kinder, die gerne lesen, hatte ich Lust, selbst etwas zu Papier zu bringen. Und als ich 10 oder 11 Jahre alt war, bekam ich zu Weihnachten eine kleine Schreibmaschine. Damals waren sie alle mechanischtiptiptip –, es hat mir den Kick gegeben, weil ich Spaß am Tippen und am Erzählen von Geschichten hatte.

Was für Geschichten waren das?

Als ich klein war? Immer solche, die ich gerade las. Sie ähnelten zum Beispiel den ganzen Serien, der Fünf Freunde, der Schwarzen Sieben, die ich gerade gelesen hatte. Und dann, als ich etwas größer wurde, las ich gerne russische Romane, deshalb schrieb ich auch einen großen russischen Roman, und danach einen großen amerikanischen Roman, und auch einen südamerikanischen, ich hatte nämlich einen südamerikanischen Schriftsteller entdeckt, Gabriel Garcia Marquez, der mir sehr gefiel. So schrieb ich dann eine Geschichte, die in Kolumbien handelte.

Gibt es gewisse Regeln beim Bücherschreiben?

Nein, man ist völlig frei dabei. Es gibt nur Regeln, die man sich selber auferlegt. Das heißt eine gewisse Disziplin, oder einen Zeitplan, den der Verlag aber vorgibt.

Wo finden Sie die Themen zu Ihren Geschichten?

Diese Frage ist wirklich nicht einfach zu beantworten. Eigentlich weiß man nie genau, woher sie kommen, mal entstehen sie bei einem Spaziergang, mal während eines Gesprächs, auf der Straße, beim Beobachten kleiner Szenen, beim Lesen einer Zeitung... Im Allgemeinen sind sie das Ergebnis mehrerer Erinnerungen, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einer Geschichte im Kopf zusammenfügen. Ich könnte nie sagen, dass diese oder jene Geschichte von da oder dort kommt. Das ist wie bei euch, denke ich, wenn man euch bittet, eine Geschichte zu schreiben, kommen plötzlich lauter Ideen. Sie sind in eurem Kopf, ohne dass ihr am Ende sagen könnt, wie und warum. Das hängt auch damit zusammen, was man vorher gelesen und erlebt hat.

Was muss ein Schriftsteller studiert haben?

Nichts Besonderes. Schriftsteller kann man mit allem oder nichts werden. Es gibt Schriftsteller, die lange studiert haben, und andere überhaupt nicht. Es gibt überhaupt keinen Zusammenhang zwischen dem, was man studiert hat und dem Schreiben. Bei der Malerei oder der Fotographie ist das ganz anders. Es gibt da einfach nichts zu lernen, man braucht nur einen Stift und Papier, und man muss nur schreiben können. Dabei sollte man allerdings viel gelesen haben. Schreiben ohne zu lesen, scheint mir etwas schwierig zu sein.

Wer ist ihr Lieblingsschriftsteller?

Das ist eine schrecklich schwere Frage, weil es viel zu viele gibt, als dass man nur einen nennen könnte. Der Schriftsteller, den ich am häufigsten immer wieder lese, heißt William Faulkner, ein amerikanischer Schriftsteller, der 1962 gestorben ist. Ich lese ihn in der französischen Übersetzung, weil mein Englisch nicht so gut ist, als dass ich einen amerikanischen Autor in der Originalsprache lesen könnte. Wenn ich so darüber nachdenke, dann glaube ich, dass er mein Lieblingsschriftsteller ist.

Schreiben Sie jeden Tag?

Nein, ich müsste es eigentlich, aber das ist nicht zu schaffen. Weil es so viel anderes zu tun gibt. Manchmal habe ich auch einfach keine Lust dazu. Allerdings vergehen selten mehr als ein paar Tage ohne dass ich schreibe. Man muss diszipliniert sein; das ist ein wenig wie beim Sport. Wenn man nichts mehr macht, rostet man ein, man fühlt sich dann weniger wohl, wenn man wieder startet.

Gibt es so etwas wie Wochenenden oder Ferien für Sie?

Ja, wenn ich ein Buch beendet habe. Das sind dann wirklich Ferien. Das ist sehr angenehm.

Wie lange dauern die Ferien dann?

Oh, lange. Mehrere Monate, manchmal sogar ein Jahr. Dann sind es wirklich Ferien. In dieser Zeit, in diesen Monaten, denke ich über vieles nach, mache mir Notizen, ich schreibe nicht wirklich, es ist eher eine Vorbereitungszeit. Aber es ist keine eigentliche Arbeit. Es ist eigenartig, weil selbst wenn ich gerne schreibe - vielleicht ist es sogar das, was ich am meisten mag - so ist es doch manchmal hart, sich wieder an die Arbeit zu setzen. Oft habe ich keine Lust, mich an den Schreibtisch und vor den Computer zu setzen. Ich würde dann viel lieber spazieren gehen. Oder einen Kuchen backen. Ich muss mich dann regelrecht dazu zwingen. Danach bin ich aber froh.

Warum sind Sie nach Berlin gekommen?

Wir wollten nicht mehr in Frankreich leben, wir brauchten schon seit langem eine Abwechslung, wollten in einer großen Stadt und nicht mehr auf dem Land leben. Außerdem finde ich, dass die Stimmung in Frankreich seit den letzten Präsidentschaftswahlen wirklich hart geworden ist. Hart gegenüber den Ausländern, hart gegenüber den Armen, ein Klima, das ziemlich weit rechts ist, das missfällt mir. Es gab also mehrere Gründe.

Mögen Sie Wölfe?

Ja. Ich antworte mit Ja, obwohl ich eigentlich alle Tiere mag. Also auch Wölfe.

 

Haben Sie kein Lieblingstier?

Kühe mag ich. Auf dem Land sind Kühe die größten Tiere, die man sehen kann, ohne dass man in den Zoo gehen muss. Es sind sehr sehr sehr dicke und friedfertige Tiere. Und schöne finde ich. Vor allem die schwarz-weiß-gescheckten, die man in der Normandie sehen kann. Sie sind wunderschön.

Was wollten Sie werden,als Sie noch ein Kind waren?

Schriftstellerin. Seit ich zehn, elf Jahre alt war. Ich bin genau das geworden, was ich immer schon sein wollte.

 

Interview: Alina und David

Zeichnungen:

Text, Zeichnungen und Fotos: © Böser Wolf - eEducation Masterplan Projekt

- Januar 2007

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