Ich stehe nicht morgens auf und denke:

„Ich bin berühmt“

Ein Interview mit dem Fußball Spieler Jens Lehmann

 

 

Wie alt waren Sie, als Sie ihren ersten Ball bekommen haben?

Weiß ich nicht mehr genau. Ich habe ein Foto, wo ich zu meinem vierten Namenstag einen Ball und eine Torwartausrüstung bekommen habe, also ein Trikot, Handschuhe und eine Hose.


Wann haben Sie sich entschieden, Torwart zu werden?
Wahrscheinlich da. Ich war mal zwischendurch ein Feldspieler, mit zehn bin ich wieder ins Tor gegangen.

Beim Zweifelderball in der Schule war ich damals ganz gut. Und irgendwie hat es mir Spaß gemacht, Bälle zu halten.


Haben Sie ein Vorbild, jemanden, den Sie bewundert haben oder der eine große Rolle in ihrem Leben gespielt hat?

Also als Fußballer hatte ich früher, als ich klein war,

Toni Schuhmacher als Vorbild. Der hat aber keine große Rolle in meinem Leben gespielt. Danach hatte ich einige gute Trainer, in der Jugend schon und auch bei Schalke 04, überall, wo ich war. Aber die prägnantesten sind immer die Eltern, der Bruder, das familiäre Umfeld.

Finden Sie das gut, dass die Spieler einer Mannschaft aus vielen verschiedenen Ländern kommen?
Ja, sehr gut. Es ist eine tolle Erfahrung. Ich glaube, wir haben 14 oder 15 Nationalitäten, und man lernt die anderen Nationalitäten und Mentalitäten kennen. Wenn man im Ausland lebt – ich lebe jetzt schon dreieinhalb Jahre in London –, bekommt man andere Eindrücke. Man macht einen Fehler, wenn man sich vorstellt, wie etwas ist. Wenn es dann den Erwartungen nicht gerecht wird, dann ist man ein bisschen enttäuscht. Man muss es auf sich zukommen lassen. Im Ausland zu spielen, ist eine der besten Erfahrungen.


Bedeutet Europa für Sie etwas?

Ja, natürlich. Europa ist für mich besonders wichtig, weil ich ein bisschen davon lebe, von Europa. Die Menschen in Europa sind interessiert am Fußball, und wir spielen in der Champions League. Ohne Europa wäre das Fußballspielen ein bisschen langweiliger. Die Nationalliga ist auch interessant, aber die Höhepunkte sind doch, wenn man in Europa spielt.


Gibt es einen europäischen Fußball?
Es gibt einen englischen Fußball, und es gibt ein bisschen einen europäischen Fußball. Die englische Liga unterscheidet sich von anderen Ligen dadurch, dass sie sehr sehr hart ist, körperlich und sehr schnell. Und technisch einfach besser. In Deutschland zum Beispiel ist es nicht so hart, technisch ganz gut, aber bei weitem nicht so schnell. Und da gibt es schon Unterschiede. Italien ist eigentlich ähnlich wie Deutschland, und Spanien ist technisch zum Beispiel sehr sehr gut, aber auch sehr langsam.


Im Halbfinale der WM waren nur europäische Mannschaften, war es Zufall?

Sicherlich war es bei uns so, dass wir gegen Argentinien auch hätten verlieren können. Es war beim Elfmeterschießen, das wir entschieden haben, und da hat man immer  ein bisschen Glück. Ich denke, sowohl
Brasilien als auch Argentinien hätten damals gut ins Halbfinale kommen können.


Wenn Sie für Arsenal gegen eine deutsche Mannschaft spielen, kommt es Ihnen manchmal nicht komisch vor?
Nee. Wir haben jetzt gegen Hamburg gespielt, es war schön. Es war das erste Mal, als ich in das Stadion kam, dass die Leute applaudiert haben. Sonst, wenn ich mit Schalke oder mit Dortmund da gespielt habe, dann haben sie immer gepfiffen, weil die Rivalitäten unter den deutschen Mannschaften größer sind. Wenn man in der Bundesliga spielt und man verliert manchmal, wenn so ein Fehler zum Schluss kommt oder sonst was, dann kommt schon Aggression hoch. Jetzt mit Arsenal waren die Hamburger ganz froh, dass sie endlich mal wieder gegen eine ganz große europäische Mannschaft spielen konnten, und das ist besonders schön gewesen.


Wie fühlt man sich beim Elfmeterschießen, also hat man Angst, zittert man oder ist man ganz lässig?
Na, ich zittere nicht, ich habe auch keine Angst, aber ich bin natürlich extrem konzentriert und angespannt. Nicht entspannt oder relaxed. Bei dem Spiel gegen Argentinien damals in der WM wusste ich auch irgendwo, dass, wenn es zu einem Elfmeterschießen kommt, von mir erwartet wurde, dass ich ein oder zwei Elfmeter halte. Ich war froh, dass ich diesen Druck standhalten konnte. Und dann habe ich mir gesagt, ok, das wurde von mir erwartet, das ab ich geschafft. Sonst hat man immer ein bisschen Sorge, ob man alles richtig gemacht hat.


Waren Sie traurig, als Ihr Spickszettel versteigert wurde in der Sendung „Ein Herz für Kinder“?

Nein, im Gegenteil. Ich war ganz froh, weil ich gar nicht wusste, was ich damit machen sollte. Ich konnte nicht ahnen, dass der Zettel so berühmt würde, als ich ihn behalten habe, und es ist besser, dass es für so etwas Gutes versteigert wurde und einem guten Zweck zugute kam.


Wo bewahren Sie Ihre Medaillen?
Ich habe so eine Kiste, da sind ein paar Medaillen drin. Man kriegt immer für ein Länderspiel eine Medaille oder Pokal-sieger, auch Medaillen. Und ich glaube, die sind alle in einer Kiste. Ob sie alle drin sind? Muss ich noch überprüfen.


Wie fühlen Sie sich als berühmter Mensch?
Ich fühle mich auch nicht als berühmter Mensch. Es ist das Gleiche wie mit dem Geld. Ich stehe nicht morgens auf und denke: „Ich bin berühmt“. Sondern, ich weiß, dass es glücklicherweise eine Menge Leute gibt, die sich für Fußball interessieren. Man hat dadurch einige Annehmlichkeiten, dass einen viele Leute kennen, aber es gibt auch viele Unannehmlichkeiten, wenn man durch die Stadt oder einkaufen geht, und man hat das Gefühl, man kann nirgendwo unerkannt so entlang gehen.

 

Interview von Anastasia, Alina und David

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