In der Jugendstrafanstalt. Wozu ist das Gefängnis gut?
Als Lehrer in der Jugendstrafanstalt
Robert W., pensionierter Schulleiter, hat einem jungen Häftling, der wegen Mordes angeklagt war, einmal in der Woche Unterricht gegeben. Er erzählt den Bösen Wölfen über seine Erfahrungen.
Im Gefängnis unterrichten
Mein Schüler war noch minderhährig, als er verhaftet wurde. Er sitzt wie die anderen in einer Einzelzelle. Er ist sehr nett und gebildet, extrem höflich und stört keinen. Er ist sehr schüchtern, und er muss in so einer Umgebung aufpassen, dass man sich nicht gegen ihn wendet.
Er ist nicht sehr sportlich und meidet die Gesellschaft der anderen. Er interessiert sich für vieles, durch Lernen schlägt er die Zeit tot. Er ist eine absolute Ausnahme und die anderen wissen es.
Die anderen Häftlinge
Sie sind im Allgemeinen wegen Einbruch, Gewalttaten oder Drogenhandel angeklagt. Sie reden nicht, sie beleidigen und schimpfen auf die ganze Welt. Für die Gefängniswärter ist das auch sehr schwer: sie werden schlecht behandelt und die Jugendlichen werfen ihnen vor, sie schlecht zu behandeln. Es dreht sich im Kreise.
Ich komme um 10 Uhr, um den Unterricht zu geben. Da schlafen noch alle, nur mein Schüler nicht. Es ist um diese Zeit deshalb ziemlich ruhig.
Sehr wenige unter diesen Jugendlichen sprechen Deutsch, viele sprechen Kurdisch, Serbisch, Kroatisch, Arabisch usw. Ich begegne ihnen, wenn sie zum Sport gehen. Sie versammeln sich in Sportkleidung auf dem Hof und ich komme mit Schlips und Hut. Das beeindruckt sie immer sehr! Und seitdem ich sie grüße …
Können Sie uns die Geschichte erzählen?
Die Besucher müssen durch den Hof zu den Gebäuden und werden von den Häftlingen umringt. Der Empfang ist nicht immer sehr freundlich, denn meistens schimpfen die Häftlinge, pfeifen und schreien allerlei. Ich ging also durch und bekam den üblichen Empfang. Ich lüpfte meinen Hut und grüßte jeden von ihnen. Sie konnten es gar nicht fassen! Ich sagte Guten Morgen zu einigen, aber auch auf Arabisch zu anderen. Seitdem bin ich der Liebling vom Hof!
Schule im Gefängnis
Es gibt Unterricht. Manchmal weigern sich die jungen Häftlinge, dorthin zu gehen. Oder sie gehen hin und sabotieren den Unterricht, was noch schlimmer ist. Das Grundproblem ist: viele beherrschen die deutsche Sprache nicht.
Angeboten werden auch Theater und Kurse. Außerdem kommen ältere Menschen mit Berufserfahrungen und versuchen, mit den Jugendlichen zu sprechen und hören ihnen zu. Manchmal verabredet man sich und sie kommen, aber sagen nichts. Dieses Schweigen erschwert das Ganze sehr. Wenn diese jungen Menschen jedoch reagieren, wenn sie akzeptieren, dass man ihnen etwas vorschlägt oder wenn sie ein Bedürfnis oder einen Wunsch äußern, dann hat man fast gewonnen.
Theaterprojekt im Gefängnis
Die Jugendlichen, die an dem Theaterprojekt teilnehmen, kommen freiwillig und haben viele Ideen. Kein einziger Deutscher ist dabei, aber alle sprechen Deutsch, wenn auch mit Akzent. Die Leiter des Theaterprojekts wollen erreichen, dass die Jugendlichen in dem Stück über sich selbst sprechen. Einer, der besonders lebhaft war, erzählte einfach, wie Wohnungseinbrüche in manchen Berliner Bezirken organisiert werden. Wie man Wache steht, wie man schnell in eine Wohnung reinkommt, wie man ein Auto organisiert, um damit schnell abzuhauen. Sie sprechen darüber, sie haben eine Vorstellung von ihren sozialen Verhältnissen. Und sie machen sich über das Leben im Gefängnis lustig. Sie denken darüber nach. Wenn man das Stück sieht, denkt man, diese Jugendlichen werden es schaffen - dank ihrer Energie, ihrer Kreativität, ihrer Fähigkeit, sich auszudrücken usw.
Wenn Hunde helfen
Wenn junge Inhaftierte Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen oder Erwachsenen haben, kommt ein Therapeut mit einem Hund. Das Tier bringe ihnen bei, sich in andere Lebewesen hinein zu versetzen und Emotionen zu zeigen. Eines Tages kam ein Hund in unseren Raum. Der Therapeut und der Jungendlicher hatten den Raum verwechselt. Der Hund kam von draußen rein, klitschnass, weil es regnete. Dieser Hund schien zu lachen! Der Kontakt mit Hunden funktioniert oft gut, jedoch nicht bei allen.
Durchsuchung und Kontrolle
Ich muss immer einen kleinen gestempelten Sicherheitspass vorzeigen und den Personalausweis sowie mein ausgeschaltetes Handy abgeben. Die Tasche mit meinen Büchern, den Fotokopien behalte ich. Das wundert mich immer, denn die anderen werden gefilzt.
Die Aufseher kennen mich inzwischen. Am Anfang störte ich eher: sie müssen einen Raum für den Unterricht öffnen, den jungen Mann abholen usw. Alle Türen sind verriegelt. Man macht einige Schritte und steht schon vor der nächsten Tür. Man ist auch nie allein. Man wird immer überwacht.
Ehrenamtliche Arbeit
Ich arbeite ehrenamtlich, das Land Berlin hat keine Mittel, um Jugendliche, die gebildet sind, zu unterstützen. Ich komme als Lehrer, der Häftling kann mir aber seine Sorgen mitteilen und ich darf mich für ihn einsetzen, wenn es z.B. Probleme gibt.
Probleme im Gefängnis: ein Beispiel
Einige Häftlinge haben durch das Gitter ihrer Fenster Sachen rausgeworfen, die sie vorher angezündet haben. So entstand eine Art Feuerwerk, das vor dem Eingang landete.
Als Strafe wurden die Fenster gesperrt. Sie sollen solange gesperrt bleiben, bis die Verantwortlichen identifiziert werden. Keiner unterstützt die Aufseher dabei. Es kann also dauern. Mein Schüler war beunruhigt wegen der vorhergesagten Hitze. Er empfand die kollektive Bestrafung als ungerecht.
Kommunikation im Gefängnis
Die Häftlinge haben keinen Internetzugang, auch kein Handy. Abgesehen von Fernsehen und Radio gibt es nichts. Sie können Post schicken und bekommen. Ich bringe regelmäßig Zeitungen und Hörkassetten mit. Letztere werden immer untersucht, Drucksachen nie.
Im Gefängnis arbeiten
Die Lehrkräfte werden für ihren Unterricht bezahlt. Manchmal sehe ich auch Studenten, die Leute besuchen. Sie sprechen auch mit Aufsehern, erfahren über deren Arbeit. Ich bewundere ihre Arbeit, viele von ihnen sind sehr engagiert.
Der Gefängnisdirektor ist ein ehemaliger Anwalt. Er entdeckte die Welt der Gefangenen bei einem Praktikum und hat daraufhin seinen Beruf gewechselt. Er ist ein leidenschaftlicher Kämpfer. Er hat verstanden, dass man mit diesen Jugendlichen später weiter leben muss.
Gedanken über das Gefängnis
Man kennt diese Welt schlecht. Und das finde ich schlimm, denn sie ist ein Teil unserer Gesellschaft, und dieser Teil entgeht uns.
Man fragt sich, wozu ist das Gefängnis gut? Man will die Gesellschaft, die Bürger schützen, aber diese Leute gibt es und sie werden nicht ewig im Gefängnis bleiben.
Es ist wichtig, diese Welt kennen zu lernen oder eine Ahnung davon zu haben. Nicht nur für Jurastudenten.
Man sieht eher schwarz für diese Menschen und ihre Zukunft. Wer die Sachen durchs Fenster geworfen hat, sind die einen. Ich rede aber von den anderen, die etwas machen wie das Theaterprojekt, die sich für etwas interessieren. Ihr Theaterstück läuft sehr gut, man lernt viel dabei.
Wären Sie bereit, einen anderen Jugendlichen zu unterrichten?
Also ja, es ist interessant, aber ich mach mir nichts vor… Man muss schon beharrlich sein, sogar dickfellig, um einige Probleme, einige Geständnisse auszuhalten. So ist es…
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