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Das Essen für die Soldaten an der Front

Ein Interview der Kinderreporter vom Bösen Wolf mit Gunther Hirschfelder,
der über Essen und Trinken im Lauf der Geschichte geforscht hat.


 

 

Wie bekamen die Soldaten ihr Essen?

An den großen Frontlinien funktionierte der Nachschub nicht immer gut, das heißt, dass die Soldaten Lebensmittel brauchten, die haltbar sind. Die Industrie entwickelt zwei Dinge, die massenhaft eingesetzt wurden, nämlich Konserven und Schokolade. Fertiges Essen wird in eine Konserve gefüllt, z.B. Eintöpfe (Erbsen, Bohnen oder Kartoffeln), aber auch Wurst oder Käse. KonservendoseSchokolade war früher ein Luxusprodukt, das eigentlich nur getrunken wurde. Nach der Erfindung der Tafelschokolade kam man in der britischen Armee auf die Idee, viel Schokolade auszuteilen, weil die natürlich sehr kalorienreich ist. So erfuhr die Schokolade in Deutschland und in Frankreich erst im Ersten Weltkrieg eine Massenverbreitung.

 

       Konserven und Schokolade     

          

Wie konnte man im Krieg so viele Menschen ernähren?

Durch eine sehr komplizierte Logistik. Die Soldaten wurden durch den Militärapparat ernährt, der genau plant, wann welche Soldaten welches Essen bekommen können. Es gab genaue Pläne für die Rationen, dass ein Offizier oder ein Leutnant jeden Tag ein halben Liter Wein oder ein ganzen bekommt, und die einfachen Soldaten schlechteren Wein und weniger erhalten. In der zweiten Hälfte des Krieges wurden die Lebensmittel rationiert, das heißt, der Staat kontrollierte nicht nur die Lebensmittelzuteilung für das Militär, sondern auch für die Zivilbevölkerung. Man konnte also Kartoffelnnicht mehr irgendwo eine Wiese mit Kühen haben und die Tiere verkaufen, wenn man es wollte. Ähnlich war es mit Kartoffeln oder Getreide. Der Staat schrieb genau vor, wie viel man für die Armee abgeben musste und wie viel man für sich behalten durfte. Wein

 

 

 

Was bekamen Soldaten zu trinken?

Sie erhielten relativ viel Alkohol, denn sie hatten sehr große Angst verletzt zu werden oder zu sterben. In Frankreich bekamen sie Wein, in Deutschland Bier und dazu Schnaps oder Kognak oder Kornbrandwein, um mit der Angst umgehen zu können. Und Soldaten rauchen auch sehr viel.

                                                          

Gab es Köche?

Es gab sehr viele verschiedene Köche. Aber im Verlauf des Krieges wird es sehr chaotisch, das heißt jeder muss mal kochen. Am SoldatenessenEnde des Krieges, wenn Stellungen überrannt wurden, kochte man die gegnerischen Pferde gleich mit. Viele Soldaten waren vor dem Krieg Bauern, sie konnten auch Tiere schlachten. Das geht alles sehr schnell, wenn 5 oder 10 Soldaten in ein Dorf kommen, haben sie in 10 Minuten das Schwein geschlachtet, ausgenommen und fangen an, es zu kochen.

So haben die Soldaten oft gekocht

 

 

Stimmt es, dass die Soldaten mehr zu essen hatten als die Zivilbevölkerung?

Ja, auf jeden Fall. Soldaten werden sehr gut versorgt, sobald es irgendwo geht. Es gab aber in beiden Ländern ab 1917 oder auch schon ab 1916 sehr schwere Versorgungskrisen. In Deutschland hatten wir 1916/1917 sehr schwere Hungerwinter, das wenige Essen war sehr kalorienarm. Das führte zu einer ausgeprägten Mangelernährung. Die Menschen litten sehr an Hunger und versuchten, auch in der Stadt, mehr Gemüse anzubauen. Sie wilderten auch. Die Versorgungslage der Bevölkerung wurde im Krieg katastrophal.

 

Stimmt es, dass in Deutschland und in den polnischen Gebieten die Menschen mehr gehungert haben als in Frankreich?

Leute hungernJa. Die Franzosen waren ohnehin in der Landwirtschaft viel besser aufgestellt. Mit dem Kriegseintritt der Engländer und vor allem der Amerikaner gab es da zusätzliche Unterstützung. Deutschland war zunehmend isoliert und der Krieg überstieg seine Kräfte. Der Krieg endete ja auch nicht richtig militärisch, sondern er schlief praktisch ein. Deutschland war ausgegrenzt, entkräftet und nicht mehr in der Lage, das Militär zu versorgen, sich selber zu versorgen. Im Herbst 1918 wurde die Situation so katastrophal, dass alle kriegsmüde waren.

 

 

 

Hat die schlechte Ernährung während der Kriegszeit einen Einfluss auf den Körperbau der Menschen?

Ja. Die Menschen nehmen im Durchschnitt 20% ihres Gewichtes ab. Sie werden auch kleiner: Gegenüber 1913 waren die Jugendlichen im Jahre 1919 mehr als drei Zentimeter kleiner. Es gibt sehr wenig Menschen, die direkt verhungern, aber durch schlechte Ernährung und schlechtes Heizen treten Krankheiten wie Tuberkulose viel stärker auf.

 

 

Hat der Krieg zu einem veränderten Essverhalten geführt?Spritze

Ja. Wenn die Leute hungern, möchten sie danach wieder sehr gut essen, wenn es geht. Neue Kulturen entstehen immer, wenn es den Menschen gut geht, wenn die Wirtschaft stark ist. Krieg ist zerstörerisch, es bringt selten neue Gerichte, neue Produkte, neue Essmuster. Der Krieg verhilft Schokolade in Tafelform und Konserve zum Massendurchbruch. Sonst hat der Krieg keine Erneuerung hervorgebracht.
Oder doch im Bereich der Drogen. Denn viele Soldaten haben aufgrund der starken Schmerzen Morphium bekommen und sind danach abhängig geworden.

 

 

Haben die Amerikaner andere Essgewohnheiten nach Europa gebracht?

EisAuf jeden Fall. Die Amerikaner essen mehr, weil die landwirtschaftliche Voraussetzung besser ist. Sie essen auch andere Dinge, mehr Rind-, Schweine- und Truthahnfleisch. Es gibt einen großen Anteil an Maisprodukten oder Süßkartoffeln, mit denen man Eintöpfe kocht. Es gibt in Amerika viel mehr süße Gerichte, wie Icecream, Popcorn und Schokolade. Deutsche und Franzosen essen eher nach Regeln, Amerikaner lässiger.

 

 


 

 

Interview: Chloé, Emmanuelle, Gaïa und Jeanne  (Kinderredaktion Grand méchant loup)
Zeichnungen: Alina, Emil und Emmanuelle  (Kinderredaktion Grand méchant loup)
Fotos/Postkarten: Grand méchant loup
Foto Kinder als "Lastenträger": Archiv Gerstenberg

© Grand méchant loup | März 2014