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Spielplätze gab es nicht

German
Europakarte mit Berlin. Horst, damals 8 Jahre alt, wohnte im britischen Sektor

Es war keine schlechte Zeit für Kinder

Kind beim EssenHorst Arndt war 8 Jahre alt während der Berliner Luftbrücke (1948-49). Er wohnte im Bezirk Wilmersdorf, im britischen Sektor. Er erzählt den Kinderreportern des Bösen Wolfes, wie es war als Kind in dieser Zeit des Kalten Krieges zu leben.

Wie war es mit dem Essen?

Das Essen war natürlich ein Problem. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich  nach dem Zweiten Weltkrieg hungern musste. Wahrscheinlich haben die Kinder am meisten bekommen. Aber alles war knapp bemessen. Es gab viele Sachen, die man überhaupt nicht kannte, also haben die uns nicht gefehlt. Apfelsinen, Bananen, die habe ich das erste Mal gesehen, als ich vielleicht 10 Jahre alt war.

Familienfoto

Wo kam das Essen her?

Ich hatte das Glück, dass mein Vater als einziger Mann überhaupt im Haus wohnte. Alle anderen Männer sind im Krieg geblieben. Mein Vater ist Hamstern gefahren. Ihr kennt das nicht? Er ist mit einem Rucksack ins Umland gefahren, wo es Bauernhöfe gab. Er hat Tauschobjekte mitgenommen, wie Uhren, Teppiche, alles was man gegen Lebensmittel eintauschen konnte. Das war die Ergänzung dazu, was man mit Lebensmittelkarten bekommen hat, so dass man überhaupt überleben konnte. Diese Karten hatten Abschnitte für Brot oder Kartoffeln und andere Lebensmittel und das waren ganz begrenzte Mengen. Alleine mit Geld konnte man nichts machen.

Wie war es mit dem Strom?

Nur stundenweise begrenzt. Der Strom wurde abgeschaltet und dann vielleicht am Abend für zwei, drei Stunden wieder angeschaltet. Alles ging über Ofenheizung, aber da gab es wiederum Probleme, Kohle oder Holz zu kaufen. Das war ganz schwer zu beschaffen. Der Grunewald – der war der größte Wald in Berlin - war richtig aufgeräumt. Es wurde alles aufgesammelt, was brennbar war. Natürlich war es verboten, Bäume  abzuholzen.
Wir haben sehr gefroren. Brikett in ZeitungspapierIn diesem Winter sind unglaublich viele Menschen erfroren. Da hat man zum Geburtstag zum Beispiel keinen Kuchen mitgebracht oder so, sondern eine Kohle, eingewickelt in ein Stück Papier oder Zeitung. Damit alle Wärme haben.Schlagballspielen während der Blockade

Was haben Sie in ihrer Freizeit gemacht?

Spiele haben wir erfunden, es gab keinen Spielplatz. Wo es einen freien Platz gab, haben wir Fußball gespielt, Hopse und Kreiseln und mit kleinen Autos haben wir uns aus dem Bürgersteig kleine Rennbahnen gemacht. Schlagball – es ist ähnlich wie Basketball, also sich um einem Ball schlagen und damit wegrennen – haben wir auch mitten auf der Bundesallee gespielt. Jede halbe Stunde ist vielleicht ein Auto gekommen oder eine Straßenbahn. Man brauchte keinen anderen Spiel, Fernseher gab es nicht, Internet auch nicht. Aber wir haben eine richtig gute Jugend gehabt. Erwachsene hatten natürlich ihre Ängste.

 

 Die S-Bahn, U-Bahn und Straßenbahnen fuhren?

Straßenbahn durch die zerstörte StadtJa, das war unglaublich. In Berlin war ja alles zerstört. Unser Haus stand, aber es hatte Riesenlöcher im Dach. Mein Vater war Dachdecker und er konnte es in Ordnung bringen. Zu den Nachbarn konnte man durch ein riesiges Loch in der Wand gehen, bis jemand es irgendwie zugemacht hat. Aber die U-Bahn ist schon sechs Wochen nach dem Kriegsende gefahren. Und das nicht auf einer Strecke, sondern auf vielen Strecken. Straßenbahn ging auch. Die Trümmerfrauen haben es geschafft, die ganze Stadt aufzuräumen. Und die Steine konnten zum Wiederaufbau verwendet werden.

Wusste man, was in Berlin Ost passiert?

Ja. Es gab eine Grenze und sie war bewacht von Sowjets und Volkspolizisten, aber man konnte noch rüber fahren. Man musste einen Ausweis vorzeigen. Ost-Berlin wurde von den Russen versorgt. Es war auch nicht besser. Mit Essen, Heizung war es alles nicht anders.

Als Kind hat man gewartet, dass ein Soldat seine Zigarette weggeworfen hat. Ich brachte es meinen Opa, er hat Pfeife geraucht.Kind gibt dem Opa gesammelten Kippen Waren die Piloten in der Stadt unterwegs?

Nein, aber ohne Ende Soldaten verschiedener Besatzungstruppen. Bei uns waren es Engländer. Ich habe auf der Straße ihre Kippen gesammelt, weil Rauchwaren auch knapp waren. Als Kind hat man gewartet, dass ein Soldat seine Zigarette weggeworfen hat. Ich brachte es meinen Opa, er hat Pfeife geraucht.

Haben Sie später Kontakte zu den Alliierten gehabt?

Wir haben noch einen Freund aus Amerika, einen Mann aus Texas. Er war hier stationiert, er war bei der Radarüberwachung auf dem Flugplatz Tempelhof. Man muss sagen, wir sind schon dankbar gewesen für die ganze Zeit, das soll man nicht vergessen.

Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

Es war ein großer Zusammenhalt im Haus. Da waren die Türen offen. Es war keine schlechte Zeit für Kinder. Wir haben nicht gelitten, oder Schaden davon getragen, das kann man nicht sagen. Es war eher abenteuerlich. Unser Spielplatz waren die Ruinen. Es war unheimlich interessant, darin herumzutoben. Wir kannten auch nichts anders. Einem fehlt nicht, was er nicht kennt.

Interview: Dagmara und Elsa
Zeichnungen: Dagmara, Rosalie und Simon
Text, Zeichnungen © Grand méchant loup | Böser Wolf
Foto mit der Familie © Horst Arndt

 

Horst sammelte die Kippen der Soldaten für seinen Opa