Wir sind immer zu wenig Frauen im Cockpit
Wie wird man Pilotin ? Kerstin Felser ist Pilotin bei der Lufthansa und fliegt das größte Passagierflugzeug der Welt, den Airbus A380. Was ist das für ein Gefühl und seit wann dürfen Frauen so große Flugzeuge fliegen? Kerstin Felser, im Interview mit den Kinderreportern des Bösen Wolfes, erzählt viel Spannendes aus ihrem Beruf...
Wie wird man Pilotin?
Warum wollten Sie unbedingt Pilotin werden?
Pilotin Kerstin: Als Kind habe ich in den Himmel geguckt, wenn Flugzeuge ihre Bahnen gezogen haben. Ich habe auf dem Flughafen Frankfurt den startenden und landenden Flugzeugen nachgeschaut und mich gefragt, wie so etwas Schweres abhebt. Dann wusste ich, ich will es lernen und verstehen. Ich will Teil des Ganzen sein, ich will Pilotin werden. Und wenn wir in den Urlaub geflogen sind, dann habe ich das Seitenleitwerk der Lufthansa mit diesem Kranich drauf gesehen. Das war für mich ein ganz besonderer Moment.
Welche Eigenschaften muss ein guter Pilot haben?
Pilotin Kerstin: Ein gutes technisches Verständnis, Freude an der Technik, an Reisen, an unregelmäßigen Arbeitszeiten: Mal am Tag, mal in der Nacht zu fliegen, Verantwortung für viele Passagiere und ein teures Fluggerät übernehmen, schnell denken und Entscheidungen treffen. Man muss auch im Team arbeiten können und führen können, man braucht Englischkenntnisse. Freude daran haben, dass es jeden Tag anders ist.
Ausbildung als Lufthansa-Pilotin
Haben Sie die Ausbildung als Pilotin schwierig empfunden?
Pilotin Kerstin: Um sich bei der Lufthansa zu bewerben, braucht man Abitur. Die größte Hürde ist dann der Aufnahmetest. Da wird man mehrere Tage geprüft. Mathematik, Physik, technisches Verständnis, soziale Kompetenz, Handlungskompetenz... Wenn man das geschafft hat, dann ist die Ausbildung im Vergleich nicht mehr so schwer.
Waren Sie die einzige Frau?
Pilotin Kerstin: Wir waren zwei in der Klasse. Wir sind immer noch ganz wenig Frauen, rund fünf Prozent sind im Cockpit der Lufthansa. Ich gestalte schon seit neun Jahren den Girls Day und versuche, Mädchen für den Cockpitberuf zu begeistern.
Worin besteht denn der Unterschied zwischen einer Flugsimulation und einem richtigen Flug?
Pilotin Kerstin: Es gibt kaum einen Unterschied. Wir sind ja auch im Simulator geschult worden. Wir gehen viermal im Jahr im Simulator und müssen da unsere Tests bestehen, und müssen zeigen, dass wir auch mit Notübungen gut klar kommen.
Arbeit und Alltag als Pilotin
Wie sieht der Arbeitstag einer Pilotin aus?
Pilotin Kerstin: Vor dem Start muss alles genau geplant sein. Wir sprechen mit den Kollegen den Flugplan durch, bekommen alle Daten, schauen uns das Wetter an, und auch die Flugstrecke. Wir überlegen, wer der fliegende Pilot sein soll, wie viel Sprit wir tanken. Dann treffen wir uns mit den Flugbegleitern, sagen, was wir auf der Strecke erwarten. Danach gehen wir an Bord und ein Pilot macht den sogenannten Outside Check. Er prüft das Fahrwerk, Triebwerk, die Tragflächen und andere Teile. Kurz vor dem Start gehen wir nochmals viele Checklisten durch. Dann heißt es „ready for take off“ für einen Flug über den Nordatlantik oder nach Singapur.
Wie oft in der Woche fliegen Sie als Langstreckenpilotin?
Pilotin Kerstin: Als Langstreckenpilotin fliege ich drei bis vier Mal im Monat. Nehmen wir zum Beispiel einen Flug nach Singapur: Wir fliegen Montagabend. Durch die Zeitverschiebung und die lange Flugzeit kommen wir Dienstagnachmittag an. Dann hat man frei, bis wir Donnerstagabend zurückfliegen.Wir landen freitags in der Früh. Danach hat man vier Tage frei.
Als Pilotin lernt man wahrscheinlich die ganze Welt kennen?
Pilotin Kerstin: Ich fliege seit zwölf Jahren Langstrecken. Ich war in Südamerika, Nordamerika, in Alaska, im Mittleren Osten, im Nahen Osten, in Südafrika, in Nordafrika, in Australien, in Neuseeland, Russland, Indien, Pakistan... Ich finde, fremde Kulturen kennen lernen, mit den Leuten vor Ort auch in Kontakt zu kommen, das ist auch ein Reiz der Fliegerei.
Pilotin einer Airbus A380-Maschine
Airbus ist das größte Passagierflugzeug der Welt: wollten Sie es fliegen, oder hat man Sie gefragt?
Pilotin Kerstin: Ich habe mich beworben und ich wollte unbedingt dabei sein. Ein bisschen als Pionier habe ich mich schon gefühlt. Die A380 sprengt alle Dimensionen.
Was ist es für ein Gefühl, ein großes Flugzeug zu fliegen?
Pilotin Kerstin: Ein tolles Gefühl. Ein Pilot liebt genau das Flugzeug, das er gerade fliegt. Die A380 ist etwas ganz Besonderes. Aber ich bin jedes Flugzeug vom kleinsten bis zum größten sehr gerne geflogen.
Wir stellen es uns kompliziert vor, so ein Flugzeug mit vielen Computern zu steuern.
Pilotin Kerstin: Man wächst da rein. Man fängt mit kleineren Flugzeugen an und fliegt dann immer größere. Erst auf Kurzstrecken, dann auf Langstrecken. Die vielen Knöpfe sind sehr logisch aufgebaut, das Ganze ist sehr übersichtlich.
Haben Sie Bedenken, dass Flugzeuge Luftverschmutzer sind?
Pilotin Kerstin: In den vergangenen Jahren wurde sehr viel an den Triebwerken, an den Flugzeugen gearbeitet Die A380 verbraucht rund drei Liter pro 100 Kilomter und Fluggast. Mit der Verringerung des Kerosinverbrauchs verringert sich auch der Ausstoß an CO2. Das muss das Ziel der Ingenieure in den nächsten 20 Jahren sein, weil der Luftverkehr pro Jahr im Schnitt um fünf Prozent zunimmt. Aber der Brennstoff aus Fossilien ist begrenzt. Das Thema Biosprit muss vorangetrieben werden.
Seit wann fliegen Frauen Passagiermaschinen?
Seit wann dürfen Frauen so große Flugzeuge fliegen?
Pilotin Kerstin: Die ersten Frauen sind bei Lufthansa vor ungefähr 25 Jahren ins Cockpit gekommen. Jetzt fliegen sie jedes Flugzeug. Alle, egal ob Mann oder Frau, verdienen dasselbe Gehalt, wir tragen dieselbe Uniform. Wir haben eine Gleichberechtigung im Cockpit. Das finde ich sehr gut.
Wie reagieren die Fluggäste, wenn sie erfahren, dass eine Frau das Flugzeug steuert?
Pilotin Kerstin: Es gibt welche, für die es ganz normal ist, oder die denken, das ist eine tolle Sache. Und dann gibt es welche, die erstaunt sind. Sie haben ihre Zeitung in der Hand und da meldet sich eine weibliche Stimme aus dem Cockpit, begrüßt die Gäste... Dann lassen sie schon mal ihre Zeitung sinken und hören ganz aufmerksam zu. Aber ich habe noch nichts Negatives erlebt.
Angst und Stress bei Pilotinnen - haben Frauen besonders Angst?
Wovor haben Sie am meisten Angst: vor einem Unfall oder vor Terroristen?
Pilotin Kerstin: Ich habe keine Angst. Wenn man Angst hat, ist es keine gute Motivation, um ein Flugzeug zu fliegen. Aber ich habe immer Respekt vor der Technik, vor so einem großen Flugzeug, vor der Verantwortung für 526 Fluggäste, vor so einem teuren Gerät, daher gehe ich immer sehr gut vorbereitet auf einen Flug. Und wir vertrauen den Technikern, die das Flugzeug für uns gewartet haben. Sollte etwas passieren, wir haben am Simulator so oft geübt, dass wir trotzdem sicher landen könnten.
Denken Sie manchmal daran, dass Terroristen an Bord sein könnten?
Pilotin Kerstin: Seit dem 11. September in New York hat sich der Luftverkehr komplett verändert. Die Sicherheits-kontrollen sind sehr scharf geworden, wir haben jetzt im Flugzeug eine gepanzerte Sicherheitstür zum Cockpit, die man nur mit einem bestimmten Code öffnen kann.
Was macht eine Pilotin gegen den Stress?
Pilotin Kerstin: Ich treibe viel Sport. Das ist der Ausgleich zu einer sitzenden Tätigkeit. Pilot sein ist schon ein sehr anstrengender Beruf. Man muss jeden Tag mit der Zeitverschiebung umgehen, durch die Nacht fliegen, keinen Schlaf haben, also ich halte mich fit mit Sport und einer guten Ernährung.
Nachts fliegen
Ist es nicht anstrengend, neun Stunden am Steuer eines Flugzeugs zu bleiben?
Pilotin Kerstin: Wir fliegen lange Strecken zu dritt. Wenn wir zwölf Stunden fliegen, hat jeder vier Stunden Pause. Hinter dem Cockpit ist einen Schlafraum mit Bett . So ist sichergestellt, dass immer zwei ausgeschlafene Piloten am Steuer sitzen.
Ist es laut im Cockpit?
Pilotin Kerstin: Nein, überhaupt nicht.
In der Dunkelheit kann man doch eigentlich gar nichts sehen.
Pilotin Kerstin: Wir fliegen nach Instrumenten, auch nach GPS. Wir müssen nicht nach draußen schauen, wir können auch im Blindflug, bei schlechtem Wetter so fliegen und nach den Instrumenten landen.
Fliegen Sie lieber nachts oder am Tage?
Pilotin Kerstin: Wenn es hell ist. Wenn man im verregneten Berlin losfliegt, geht man durch die Wolkendecke und dann sieht man die Sonne. Das ist das Schöne an meinem Beruf, dass man jeden Tag die Sonne sieht. In welchem Beruf hat man das? Oder einem Sonnenaufgang oder -untergang entgegenzufliegen. Aber auch nachts gibt es schöne Momente.
Beruf und Familie als Pilotin
Haben Sie schon mal wichtige Leute geflogen, ist man da angespannt?
Pilotin Kerstin: Wichtige Leute schon, meine Eltern zum Beispiel, die sind mir sehr wichtig. Berühmte Leute wie bekannte Fußballer etwa, aber für uns ist jeder Fluggast wichtig.
Wird Piloten eigentlich ein anderes Essen serviert als den Fluggästen?
Pilotin Kerstin: An manchen Flughäfen können wir uns ein besonderes Essen bestellen, aber meistens bekommen wir das Essen der Fluggäste.
Schlafen Piloten umsonst in den Hotels?
Pilotin Kerstin: Ja. Es ist für alles gesorgt. Wir werden am Flughafen mit einem Bus abgeholt und zum Hotel gebracht. Dann haben wir frei, bis wir wieder abfliegen.
Ist es schwierig eine Familie zu haben, wenn man Pilotin ist
Pilotin Kerstin: Nein. Ich bin vielleicht drei, vier Tage weg, aber dafür bin ich einige Tage zu Hause. Man kann auch Pilotin in Teilzeit sein. Es ist gut machbar.
Was mögen Sie am Fliegen?
Pilotin Kerstin: Die Technik. Wenn ich auf der Startbahn rolle, Schub gebe und merke die Beschleunigung, die Triebwerke, die hochlaufen, wie wir abheben und in eine fremde Metropole fliegen, eine schöne Landung...
Nehmen Sie das Flugzeug, wenn Sie Urlaub machen?
Pilotin Kerstin: Ich mache anders Urlaub. Zum Beispiel bin ich im Sommer von München nach Venedig gewandert. Mit Rucksack. Das sind 700 Kilometer mit den Füßen am Boden! Das ist mein Ausgleich. Nicht mehr in fremde Länder fliegen, sondern mich langsam in Schrittgeschwindigkeit fortzubewegen.
Hier kannnst du mehr über Airbus erfahren:
eine Reportage über Airbus >>>
ein Interview mit dem Personalleiter
von Airbus Hamburg >>>
Interview: Alica, Alice, Clara, Chloé, Emmanuelle, Ulysse & Zoë
Zeichnungen: Chloé, Emil, Emmanuelle, Zoë
Text, Zeichnungen und Foto: © Grand méchant loup | Böser Wolf. 2011