Das Französische Gymnasium in Berlin - Erster Weltkrieg
Während des Ersten Weltkriegs betete man für Deutschland auf Französisch
Ein Interview der Bösen Wölfe mit Bernhard Frank, ehemaliger Direktor des Französischen Gymnasiums in Berlin
Wie viele Schüler gab es 1914 an der Schule?
1914 ist die Anzahl an Schülern extrem gesunken, es blieben nur noch 134 Schüler, und 1915 gab es noch weniger, aber darüber haben wir keine Statistiken. Ab 1921 gibt es dazu wieder Angaben, damals gab es 160 Schüler, 1932 waren es wieder 300… Aber ihr müsst euch vorstellen, dass es 1885 immerhin 450 Schüler gab!
War ein Anteil der Kurse trotzdem weiterhin auf Französisch?
Diese Frage hat uns viel beschäftigt. Während der Kriege gegen Napoleon Anfang des XIX. Jahrhunderts waren fast 40% der Berliner Bevölkerung hugenottischer Abstammung. Weil es die Sprache der Besatzer war, wurde Französisch als Lehrsprache in Frage gestellt. Es gab eine große Debatte, aber letztendlich hat sich das Gymnasium für den Erhalt von Französisch entschieden.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges hat das Bildungsministerium der Schule geraten, Französisch als Lehrsprache abzusetzten. Es gab also eine neue Debatte innerhalb der Schule. Der Schuldirektor, der kurz vor der Rente stand, hatte kein großes Vertrauen ins Ministerium und hat sich deshalb dafür eingesetzt, dass der Lehrer Esterneau sein Nachfolger wird. Esterneau war Deutscher mit hugenottischen Wurzeln. Er blieb bis 1919 Direktor und ihm war es zu verdanken, dass Französisch weiterhin als Lehrsprache in dieser Schule beibehalten wurde.
Sind viele Lehrer in den Krieg gezogen?
Nein, denn die meisten Lehrer waren schon etwas älter, da es schwierig war, jüngere Lehrer anzuwerben. Kurz vor dem Krieg war das Gymnasium zwar zu einem Ausbildungszentrum für junge Lehrer geworden, das konnte es aber während des Krieges aufgrund der Mobilmachung nicht bleiben.
Hat sich die Stimmung im Gymnasium am Anfang des Krieges verändert ?
Wahrscheinlich. Was Anfangs noch Patriotismus war wurde schnell zum Nationalismus und das hat man auf dem Französischem Gymnasium deutlich zu spüren bekommen.
Außerdem wurde auf dem Französischem Gymnasium keine Gelegenheit ausgelassen, Preußen oder Deutschland zu feiern: man zelebrierte den Geburtstag des Kaisers, die große Ansprache zur Ehren der Dynastie der Hohenzollern wurde natürlich auf Französisch gehalten. Und "seine Majestät" trug der Schule viel Sympathie entgegen, manchmal verlieh er den Lehrern der Schule sogar Orden.
Und in den Zeiten der Geschichte, in denen die Anzahl der Schüler drastisch sank, war das Überleben der Schule auch der Sympathie der Dynastie zu verdanken. Die Könige und Kaiser wollten den Willen Friedrichs III., dem Gründer der Schule, respektieren, und somit das Erbe ihrer Dynastie schützen.
Eine Anekdote
Jede Woche traf sich die schulische Gemeinschaft, die nicht sehr groß war, um Gott anzubeten, den Erzfeind Frankreich zu bestrafen. Der neue Direktor, Herr Esternau, der seinen Posten ja unter anderem bekommen hatte um Französisch zu retten, hat darauf beharrt, diese Gebete gegen die Franzosen auf Französisch abzuhalten. Also haben diese jungen Deutschen, die Frankreich gegenüber voller Hass waren, diesen Hass auf Französisch zum Ausdruck gebracht. So erzählt man es sich jedenfalls.
Wurde die Schule während des Krieges zerstört?
Nein. Aber das galt ja für ganz Deutschland. Die Deutschen haben nicht verstanden, warum sie den Krieg verloren haben. Die meisten Zerstörungen fanden in Belgien statt, sowie im Norden und im Osten Frankreichs. Deutschland wurde gar nicht zerstört.
Die Schüler beobachteten die Generalstabskarten, die in Zeitschriftenläden ausgehängt wurden und die die Fortschritte und Rückschritte der deutschen Truppen zeigten. Deutschland sahen sie darauf immer intakt. Kurz vor dem Waffenstillstand kündigte die Propaganda immer noch den nahen Sieg an. Hinzu kam der Triumph im Osten, da sich Russland ja aufgelöst hatte.
Was ist dann bei dem Waffenstillstand passiert?
Gar nichts.
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