Die EM hatte sehr schlecht angefangen: inmitten von Streiks und Bergen von Müll auf den Straßen. Frankreich, in einen Sozialkonflikt verwickelt, startete in die Meisterschaft, als nicht nur die Müllabfuhr streikte. Doch nach und nach gewann der Fußballzauber die Oberhand: die Proteste wurden erstmal abgesagt, die Arbeitslosigkeit vergessen, das übliche französische Gemecker verstummte und die schlechte Laune verschwand. Dank der Tore der französischen Stürmer - insbesondere des jungen Antoine Griezmann - begannen die Franzosen zu träumen, und die Begeisterung für Les Bleus ergriff das ganze Land. Das Missgeschick der Nationalmannschaft war vergessen, auch das traurige Jahrzehnt, das 2006 mit dem Kopfstoß von Zidane (ein nationales Trauma!) begann und mit dem Streik der Spieler bei der WM 2010 seinen Höhepunkt erreichte. Das Publikum stand hinter seiner Mannschaft und glaubte allmählich, dass es mit dem Europa-Titel klappen könnte. Das sah man auf den Straßen: die Cafés waren voll, auf der Fanmeile fanden sich jeden Abend Tausende ein, die Nachbarn hörten sich gegenseitig jubeln. Die ausländischen Fans standen dem nicht nach und das Zusammensein mit den Franzosen war meistens sehr herzlich. Vor allem die irischen Fans fielen durch Freundlichkeit auf. Nach und nach gewann Frankreich das Vertrauen zu sich selbst zurück: das Land wurde mit französischen Flaggen geschmückt, vor allem für das Halbfinale und das Finale. Das durch zwei Terroranschläge gekennzeichnete schreckliche Jahr 2015 wurde verdrängt, die Trauer und das Entsetzen. Und auch das Fußballspiel Frankreich gegen Deutschland am 13. November 2015 im Stade de France in Saint Denis wurde verdrängt – der Tag, an dem Frankreich erneut den Terror erlebte. Diesmal versammelten sich die Franzosen, um das deutsch-französische Halbfinale zu feiern. Dass die Terroristen nicht gewonnen haben, dass uns bewusst wurde, wie gerne wir leben, ist vielleicht der größte Erfolg dieses riesigen Fußballfestes gewesen.